3. Dez. 2021
Buchhandlung Vogel: Erfolg "durch unsere nette Art"

Buchhandlung Vogel: Böblingens älteste Buchhandlung im modernen Ambiente
Buchhandlung Vogel: Böblingens älteste Buchhandlung im modernen Ambiente
mit transparentem Blick in den Laden und intensiven Gesprächen.
mit transparentem Blick in den Laden und intensiven Gesprächen.
Freundliche und bunte Farben schaffen ein gemütliches Ambiente, geerdet durch einen grauen Boden.
Freundliche und bunte Farben schaffen ein gemütliches Ambiente, geerdet durch einen grauen Boden.
Herausforderung: Kunden durch einen breit angelegte Geschäftsräume ziehen.
Herausforderung: Kunden durch einen breit angelegte Geschäftsräume ziehen.
Kluge Gestaltung vor dem Schaufenster
Kluge Gestaltung vor dem Schaufenster
Viel Platz für die Nachwuchsleser im Kinderbuch
Viel Platz für die Nachwuchsleser im Kinderbuch
Wichtig: einladendes Ambiente zum Verweilen
Wichtig: einladendes Ambiente zum Verweilen
Die ganze Buchhandlung bleibt von allen Seiten gut im Blick.
Die ganze Buchhandlung bleibt von allen Seiten gut im Blick.
Brigitte Schütz: hat in der Buchhandlung Vogel gelernt und sie 2005 erfolgreich übernommen
Brigitte Schütz: hat in der Buchhandlung Vogel gelernt und sie 2005 erfolgreich übernommen

Fast weihnachtlich still strahlt das Licht der Buchhandlung Vogel schon Ende Oktober bei unserem Besuch durch die Schaufenster auf die Böblinger Fußgängerzone. Durch die breite Schaufensterfront überblickt man den ganzen Laden, denn er ist breiter als tief, und dort stehen die Mitarbeiterinnen aktiv im Gespräch mit den Kundinnen und Kunden. Das Bild passt zu der Buchhandlung, denn sie ist ein eher stiller Champion in der Kreisstadt südwestlich von Stuttgart.

 

2013 ist Eigentümerin Brigitte Schütz mit der Buchhandlung in das moderne Gebäude der Sparkasse in der Bahnhofstraße 4, der Hauptfußgängerzone, gezogen. Das Umfeld der 175 Quadratmeter Geschäftsfläche sieht so modern aus, dass man kaum auf die Idee kommen könnte, dass dies die älteste Buchhandlung der Stadt ist.

 

Dabei weiß man noch nicht einmal genau, wann sie gegründet wurde. Wie im Reiseführer könnte man sagen: Ihre erste Erwähnung fand sie 1954, als Hedwig Vogel die Buchhandlung übernahm und umbenannte. Wahrscheinlich existierte sie aber schon vor dem Krieg, so Schütz.

 

Auch Schütz selbst ist ein Urgestein der Buchhandlung. Irgendwann im Weihnachtsgeschäft hat sie dort als Aushilfe angefangen. Die gelernte Fremdsprachenkorrespondentin hatte immer gern mit dem Wort zu tun und fühlte sich sofort wohl, so dass Barbara Vogel-Quell, die die Buchhandlung bereits in zweiter Generation führte, ihr einen Ausbildungsplatz anbot. Die Geschichte nahm ihren Lauf und 2005 übernahm Schütz die Buchhandlung, als Vogel-Quell „schweren Herzens“, wie Schütz heute noch anmerkt, in den Ruhestand ging.

 

 

Erfolgsrezept: stetiges Aufbauen einer Stammkundschaft

 

Schon bevor das Wort modern wurde, war das Erfolgsrezept von Schütz das Netzwerken, das vor allem über viele kleine Aktionen läuft. Sie selbst sagt, die Buchhandlung sei erfolgreich „einfach durch unsere nette Art“. Persönliche Bezüge schaffen, aber auch mal als Seelsorgerin da sein, das wissen die Kundinnen und Kunden zu schätzen.

 

Dafür braucht sie nur wenige große Lesungsveranstaltungen, von denen sie drei bis vier im Jahr macht. Schütz arbeitet stattdessen intensiv mit dem Stadtmarketing zusammen, hat viele Kontakte in den kirchlichen Bereich, der für die Stadt sehr wichtig ist. Sehr oft sind sie und ihre Mitarbeiterinnen zu Buchvorstellungsabenden unterwegs. Regelmäßig nimmt sie an langen Einkaufsabenden teil, auf die sich die Kundinnen und Kunden freuen. Dabei setzt sie ganz gezielt auch moderate Rabattaktionen ein, zum Beispiel auf Kalender. Rabatt-Aktionen über lange Zeiträume schaden, ganz begrenzt zu besonderen Anlässen sind sie hilfreich, ist ihre Erfahrung.

 

Der Kundenkreis hat sich über die Jahre stets erweitert. Denn früher gab es noch weitere Buchhandlungen in der Stadt, von denen die meisten aus unterschiedlichen Gründen aufgegeben wurden. Aus diesen sind viele Kundinnen und Kunden zur Buchhandlung Vogel gekommen. Diese vermittelt heute vor allem eins: Kontinuität in der Stadt.

 

Auch hat Schütz Mitarbeiterinnen übernommen, die Kundschaft mitgebracht haben. Heute ist sie die Hauptwettbewerberin der Osiander-Filiale im nahen Mercaden Einkaufszentrum, eine der ersten Filialen der Tübinger, und hat eine Umsatzgröße von über 500.000 Euro erreicht. Die Hauptkonkurrenz für beide liegt aber vor allem in Sindelfingen, der Daimler-Stadt, die sich direkt nördlich der A 81 anschließt.

 

 

Kundschaft durch einen schmalen, aber breiten Laden ziehen

 

Der Umzug 2013 hat auch einen großen Umsatzschub gebracht, so Schütz. Da konnte sie endlich die alte 60er-Jahre Einrichtung hinter sich lassen, bekam deutlich mehr Platz und konnte den Laden noch einmal neu nach ihren Vorstellungen einrichten.

 

Die Einrichtung hat sie beim Ladenbauer Trend fertigen lassen. Warm und gemütlich sollte der Verkaufsraum wirken, aber auch modern und mit Signalwirkung. Herausgekommen ist ein Regalsystem in Naturholzfarben mit viel oranger Farbe, zum Beispiel für die Regalbeschriftungen, aber auch der ganze Kassentresen und einzelne Regale dazwischen, wie das „Aktuell“-Regal, sind in dem freundlichem Farbton gehalten.

 

Die Ladengestaltung war wegen der starken Breite keineswegs einfach. Denn die Kundinnen und Kunden sollten durch den ganzen Laden gezogen werden und nicht zu schnell immer wieder an der Tür stehen, so dass sie die Buchhandlung verlassen können.

 

Gelungen ist das dadurch, dass links die Belletristik steht, direkt gegenüber dem Eingang ein großes Aktuell-Regal auf sich aufmerksam macht und man dann mithilfe vieler Angebotstische, die immer wieder neue Aufmerksamkeit wecken, unwillkürlich durch den Laden gezogen wird.

 

Einladend wirkt auch, dass es viel Platz zum Durchgehen gibt und die Tische nicht enggestellt sind. Damit kommen nicht nur Mütter mit Kinderwagen gut durch. Dadurch wird das Auge nicht überreizt und erhalten vor dem grauen und in den Hintergrund zurücktretenden Bodenbelag immer wieder neue Anreize.

 

Gut genutzt ist auch die lange Schaufensterfront. Davor befinden sich leicht schräg zum Fenster, eigenständig locker in Reihe nebeneinander gestellte Regale oder auch Drehsäulen. Sie lassen aber immer noch einen Blick durch das Fenster in den Laden oder aus dem Laden hinaus zu. Die Regale, die mit den Rückseiten zum Fenster stehen, bieten damit gute Präsentationsmöglichkeiten.

 

 

Familien kommen zunehmend in die Buchhandlung

 

Allen Unkenrufen zum Trotz macht Schütz auch immer noch gute Umsätze mit Wörterbüchern, die sie natürlich aus ihrer ersten Ausbildung gut kennt. „Die Nachfrage kommt heute aber mehr aus der Erwachsenenbildung oder aus dem Bereich Deutsch als Fremdsprache“, so Schütz.

 

Ansonsten erzielt sie 40 Prozent ihrer Einnahmen mit Belletristik und Kinder- und Jugendbuch. Und ein großer Bereich macht das Schulbuch aus. Damit kann sie auch die Familien ansprechen. Diese haben ihr vor allem in der Coronazeit geholfen.

 

 

Modernes Marketing

 

Zwar bezeichnet sich Schütz gern als „konservativ“ bei der Sortimentsgestaltung, was durchaus zur Stadt passt, auch wenn sie Grün regiert wird. Seit zwei Jahren ist die Buchhandlung aber auch auf Instagram unterwegs: Den Job hat sie einer Jungbuchhändlerin übertragen, die das gut macht.

 

Die Bilder sind schön und kommen ganz natürlich aus dem Alltag, werden aber ideenreich inszeniert. Fotos wechseln sich ab mit kleinen Filmchen, zum Beispiel Experimenten, wie das Eintauchen eines wasserfesten Kinderbuchs in eine Wasserschale mit Eis. Lohn sind Likes durchschnittlich im mittleren zweistelligen Bereich.

 

Ausbildung ist für Schütz wichtig, dies helfe auch, jüngere Leserinnen und Leser anzusprechen. Nicht zuletzt, weil sie selbst als junge Frau die Chance bekommen hat, ausgebildet zu werden.

 

Auch wenn sie sich mit Sortimenten für Jüngere schwer tut, wie sie unumwunden zugibt, bietet Schütz jetzt auch ein Manga-Sortiment an. Sie sei eigentlich ein Wort-Mensch, wie sie sagt. Mit Grafic Novels tue sie sich deshalb noch schwer. Sie gäbe lieber der Lyrik eine Chance, weiß aber auch, dass sich damit keine großen Umsätze machen lassen. Trotzdem profiliert sie sich damit auch etwas.

 

 

Corona hat neue Kundschaft gebracht

 

Doch auch sie hat jetzt erst einmal andere Sorgen. „Bei Corona haben wir sofort umgestellt und haben selbst ausgeliefert“, so Schütz. Sie hatte zwar ihre Mitarbeiterinnen zur Kurzarbeit angemeldet, doch schnell wieder zurückgeholt. Zu viel Arbeit. Zwei haben sich den Telefondienst geteilt, eine ist immer mit der Ware herumgefahren.

 

Dabei gab es sogar Unterstützung. Der ADFC wollte den Geschäftsleuten etwas Gutes tun und hat einen Fahrradkurierdienst eingerichtet. „Am Ende haben wir den fast allein genutzt“, so Schütz.

 

Gerade jetzt hat die gute Vernetzung geholfen. Aber auch die Webseite. „Der Online-Umsatz hat deutlich zugenommen und wir haben viele neue Kundinnen und Kunden, die jetzt auch in den Laden kommen“, so Schütz. Das hat einen neuen Schub gegeben. Und nicht zuletzt hat sich ganz unfreiwillig auch ihre Kundschaft weiter verjüngt. Vor allem viele Familien nehmen den Laden stärker wahr.

 

Auch so lässt sich erfolgreich Buchhandel machen und das Lesen aufrechterhalten: mit einer stillen, wachen Vernetzung, die vor allem auf Kundenbeziehung setzt. Sie kommt ohne vermeintliche Marktmacht aus und vermittelt auf eigene Weise, was das Buch verspricht: ein zurückgezogenes Vergnügen.

LD

 


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