Die Corona-Krise hat den Online-Umsatz in vielen Buchhandlungen eher unplanmäßig angekurbelt. In unserer Serie fragen wir, wie sich der Verkauf über den Webshop verstetigen lässt. Heute befragen wir Carolin Wolf, Inhaberin der Buchhandlung ihres Namens mit Hauptsitz in Bruchsal und weiteren Läden in Obererdingen und Weingarten, nach Organisation und vor allem, inwiefern das Engagement zum Ertrag beiträgt.
LD: Bei Ihnen ist Online-Marketing und Webshop-Pflege nicht Chefsache. Das übernimmt Ihre Mitarbeiterin Maria Lammert-Bohnenkamp, die auch schon für LD geschrieben hat. Worin sehen Sie Ihre Aufgabe in der Führung der Mitarbeiterin, die den Job übernimmt?
Carolin Wolf: Frau Lammert-Bohnenkamp kennt sich im Marketing sehr gut aus und hat darin viel Talent sowie Geduld. Aber wir machen auch viel zusammen. Gemeinsam legen wir die Marschrichtung fest, welche Themen wir bespielen oder welche technische Ausstattung wir brauchen, wenn wir uns zum Beispiel bei Neustart Kultur bewerben. Aber ich gebe nicht haarklein vor, was zu tun ist. Sie weiß, was mir gefällt. Wir machen keine großen Sitzungen, stattdessen sprechen wir das meiste zwischendurch ab. So entsteht vieles spontan, was wir uns gegenseitig zurufen. Zum Beispiel der Post in Anlehnung an Bernie Sanders nach der US-Wahl.
Wieviel Arbeitszeit kalkulieren Sie für die Pflege des Onlineshops und des Webmarketings in Ihrem Unternehmen?
Das ist schwer in Stunden zu fassen. Wenn Frau Lammert-Bohnenkamp abends noch einmal den ganzen Online-Shop umbaut, dann muss das natürlich auch angerechnet werden. Vieles entsteht aber auch nebenher. Wir werden uns jetzt in Zukunft mit Videos befassen. Wenn dann Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter vor die Kamera treten, wird sich sicher der Aufwand noch einmal erhöhen. Die Ladenöffnungszeiten müssen natürlich abgedeckt sein. Dafür suchen wir jetzt noch dringend Personal. Aber Sie wissen ja, wie es ist, es ist schwer, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bekommen. Wir würden jeden Umfang an Unterstützung annehmen: Aushilfen, Teilzeit oder Vollzeit. Hinzu kommt, da ist viel kreative Arbeit dabei, die schwer zu kalkulieren ist. Es kann durchaus mal etwas länger dauern, bis man mit einer Lösung glücklich ist.
Betrachten Sie die Arbeit im Social-Media-Marketing und Webshop weiterhin vor allem als Marketingkosten oder rechnet sich die Arbeit auch im Ertrag?
Wirklich auseinanderrechnen kann man das nicht. Schon vor der Pandemie mochte ich, aber auch gerade jetzt möchte ich den Online-Shop und unsere Social-Media-Aktivitäten nicht missen. Beides hat sich gerade in dieser Zeit ausgezahlt. Wir hatten zum Beispiel während der Corona-Krise deshalb nur wenige Probleme, das Hin und Her der Ladenöffnungen zu kommunizieren. Gerade letzte Woche hatten wir ein Problem mit einem Barsortiment, als eine Lieferung nicht ankam. Das haben wir über die Social-Media-Kanäle verbreitet und es gab nur wenige Kundinnen und Kunden, die nach ihrem Buch gefragt haben. Viele wussten schon Bescheid, ohne dass wir aufwändige Telefon- oder Mailaktionen machen mussten. In der Zeit, als wir noch Veranstaltungen machen konnten, was hoffentlich wieder kommen wird, konnten wir bei Nachfragen einfach nur auf unsere Homepage oder auf Facebook bzw. Instagram verweisen. Viele Kundinnen oder Kunden sagen dann, ‚das habe ich bereits gesehen‘. Das verkürzt die Kommunikationszeiten bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Laden enorm. Und Buchvorstellungen auf Facebook merken wir durchaus an den Abverkäufen. Auch das reduziert Kosten. Und wer deshalb in den Laden kommt, um das Buch zu kaufen, nimmt vielleicht noch ein weiteres Buch mit, das steigert Umsatz und Ertrag.
Das heißt, der Ertrag von digitalen Aktivitäten lässt sich kaum berechnen.
Ja, das ist schwierig. Vielleicht sollte man von Anfang an den Aufwand pro Mitarbeiter dafür aufschreiben. Das habe ich nicht getan, deshalb kann ich jetzt noch nicht über eine Entwicklung sprechen. Wir geben zum Beispiel andererseits deutlich weniger für Printwerbung aus als früher. Mein Eindruck ist, dass wir jetzt einen deutlich geringeren Streuverlust haben. Damit erreichen wir mehr mit dem eingesetzten Geld.
Andererseits müssen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch regelmäßig informieren, was auf der Webseite und auf den Social-Media-Kanälen passiert.
Richtig. Alle Social-Media-Kanäle sind bei uns öffentlich. Da kann jeder nachsehen, auch ohne einen eigenen Account haben zu müssen. Denn ich kann natürlich schon wegen des unzureichenden Datenschutzes niemanden zwingen, sich auf den Social Media-Plattformen zu registrieren. Aber auch über jeden Rechner in meinen Läden können die Mitarbeiter zwischendurch draufsehen, was dort passiert.
Mit anderen Worten, der Online-Shop ist zu einer echten Filiale geworden?
Ich sage mal so: Wenn ich am Sonntagabend in die Online-Bestellungen für das Abholfach schaue, dann habe ich meistens gute Laune. Wenn wir über einen Feiertag, wie am letzten Muttertag, 10 signierte Exemplare Der erste letzte Tag von Sebastian Fitzek über die Social-Media-Kanäle anbieten und die sind danach weg, haben wir in der Zeit 160 Euro mehr Umsatz gemacht. Da war dann keiner der Läden geöffnet. Und wer das Buch abholen kommt, nimmt vielleicht das ein oder andere noch mit. Aber klar: Man darf nicht nur auf den Umsatz schauen, sondern muss auch den Ertrag im Blick behalten.
Sie erwähnten, dass Sie jetzt auch auf Youtube aktiv werden wollen? Welche Strategie verfolgen Sie da?
Ich war lange dagegen, dass wir uns auf Youtube engagieren. Denn ich habe so viele Videos gesehen, die mir nicht gefallen haben. Aber jetzt über Neustart Kultur wollen wir uns mit einer guten Kamera und einer guten Tontechnik ausstatten, so dass wir professionelle Filme produzieren können. Derzeit arbeiten wir noch an einem Konzept, ob wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bücher allein vorstellen lassen oder ob das zu zweit geschehen soll. Die Klickzahlen sollen natürlich kein Messpunkt für die Beliebtheit der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters werden. Ich denke, da werden wir erst einmal noch ausprobieren, was zu uns passt.
BCW